Putins Truppen haben die Ukraine überfallen. Die Situation eskaliert stündlich. Der Krieg ist näher als es sich anhört und erhält ein Gesicht, wenn man Betroffene persönlich kennt. Leider ist das der Fall, denn SVFler Gerhard Mann lebt seit Jahren in Moldawien, nur 40 Kilometer von der Grenze zur Ukraine.

Wir haben natürlich zu Gerhard Kontakt und ihn interviewt.

Frage: Gerhard, du lebst in Moldawien, 40km von der Grenze zur Ukraine. Wie ist die Situation in Chisinau, der Hauptstadt?

Gerhard: Relativ ruhig. Vorgestern waren einige Schlangen vor den Tankstellen, aber ansonsten war nicht viel zu sehen. Seit gestern sind vermehrt ukrainische Autos in der Stadt unterwegs, aber ansonsten geht alles wie gewohnt weiter. Allerdings werden die Leute, vor allem aus Odessa, das nur 200km entfernt ist immer mehr.

Frage: Über die sozialen Medien hast du Kontakte zu Bekannten in der Ukraine. Wie schildern diese die Situation?

Gerhard: In Odessa ist es noch relativ ruhig. Allerdings hat es dort auch schon Raketeneinschläge gegeben. Viele Leute versuchen im Moment über die Grenze nach Moldawien zu kommen. Die Grenze, die am nächsten liegt, ist komplett überlaufen. Wartezeiten von 15 Stunden sind nichts ungewöhnliches und zudem Männer zwischen 18 und 60 das Land nicht verlassen dürfen, spielen sich dort erschütternde Szenen ab. Ich habe Schilderungen von Leuten, teilweise auch Diplomaten, erhalten die eigentlich immer gefasst sind, und du merkst ihnen an, wie schwierig die Situation dort ist und welche Dramen sich dort abspielen.Freunde von mir aus Kyiv können die Stadt nicht verlassen, sie harren in U-Bahn-Stationen aus, um den Bomben zu entgehen.

Frage: Du hast seit Freitagnachmittag “Besuch” aus der Ukraine. Wer ist bei dir und wie kam es dazu?

Gerhard: Ich habe mittlerweile sieben Leute bei mir untergebracht, nachher kommt noch eine Familie mit einem 8-jährigem Kind, ich muss noch einen Platz für sie finden. Freunde von mir, die aus Chisinau weggezogen sind, stellen ihre Häuser zur Verfügung. Im Moment können wir noch alles stemmen, Supermärkte sind noch voll, allerdings geht mittlerweile der Platz zum Schlafen aus. Im Vergleich: allein in der Region Odessa leben in etwa soviele Menschen wie in ganz Moldawien. Und die, die aus Kyiv und anderen Landesteilen kommen, müssen auch wo hin. Mir persönlich fehlt es im Moment an Maratzen und Decken, dass ich jemals soviele Leute in meiner Wohnung haben würde, war nicht abzusehen.

Frage: Wie geht es weiter?

Gerhard: Ich weiß es nicht. Im Moment geht es von Stunde zu Stunde. Ich bin schon wieder seit 5.30 Uhr auf und bin seitdem nur dabei, Leute zu verteilen. Mittlerweile auch in Rumänien. Wir haben einer Frau mit ihrem Enkel eine Bleibe vermitteln können. Ist zwar nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, aber wir versuchen alles, was möglich ist.

Gerhard, danke für die Eindrücke und alles Gute.

Anmerkung: Gerhard lebt in einer Zweizimmerwohnung, klein, einfach, und hoffentlich weiter sicher.

Soeben, Samstag, 14.20 Uhr, haben wir nochmal telefoniert. Gerhard ist auf dem Weg zur Grenze um drei weitere Menschen abzuholen und entweder selbst aufzunehmen oder zu Freunden zu fahren. So genau war dies noch nicht planbar.

Zwischenzeitlich konnte Gerhard weitere Matratzen und Decken organisieren. Wie bereits von Gerhard erwähnt, sind die Supermärkte noch gefüllt. Auf Nachfrage meinte Gerhard, finanziell sei noch alles darstellbar.

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